Bei der Auslegung eines jeden Testaments ist der wirkliche
Wille des Erblassers zu erforschen und nicht an dem buchstäblichen Sinn des
Ausdrucks zu haften (§ 133 BGB), selbst in den - seltenen - Fällen „klaren und
eindeutigen“ Wortlauts ist der Auslegung eines Testaments durch eben diesen
Wortlaut keine Grenze gesetzt. Dabei darf sich der Richter nicht auf eine
Analyse des Wortlauts beschränken, sondern muss auch alle ihm zugänglichen
Umstände außerhalb des Testaments auswerten, die zur Aufdeckung des
Erblasserwillens beitragen können. Dabei geht es nicht um die Ermittlung eines
von der Erklärung losgelösten Willens, sondern um die Klärung der Frage, was
der Erblasser mit seinen Worten sagen wollte. Dem liegt die Erkenntnis
zugrunde, dass der Sprachgebrauch nicht immer so exakt ist oder sein kann, dass
der Erklärende mit seinen Worten genau das unmissverständlich wiedergibt, was
er zum Ausdruck bringen wollte. Gerade deshalb ordnet § 133 BGB an, den
Wortsinn der benutzten Ausdrücke unter Heranziehung aller Umstände zu
„hinterfragen“. Nur dann kann die Auslegung der Erklärung durch den Richter
gerade die Bedeutung auffinden und ihr die rechtliche Wirkung zukommen lassen,
die der Erklärende seiner Willenserklärung „wirklich“ beilegen wollte. Der BGH
wiederholt ausgesprochen, dass der Richter auch bei einer ihrem Wortlaut nach
scheinbar eindeutigen Willenserklärung an den Wortlaut nicht gebunden ist, wenn
der Erklärende mit seinen Worten einen anderen Sinn verbunden hat, als es dem
allgemeinen Sprachgebrauch entspricht. Der Erblasserwille ist als sogenannte
innere Tatsache dem Geständnis und der Beweisaufnahme zugänglich und geht, wenn
er feststeht und formgerecht erklärt ist, jeder anderen Interpretation vor.
Kann der Richter sich aber trotz Auswertung aller Umstände von dem tatsächlich
vorhandenen wirklichen Willen des Erblassers nicht überzeugen, dann muss er
sich - wiederum unter Auswertung von Wortlaut und allen Umständen - notfalls
mit dem Sinn begnügen, der dem Erblasserwillen mutmaßlich am ehesten
entspricht. Von diesem durch Wortlaut und Umständen nahegelegten Verständnis
darf er nur dann abgehen, wenn weitere Umstände mit mindestens annähernd gleich
großem Gewicht für ein Verständnis in einem anderen Sinne dargetan und bewiesen
sind (Oberlandesgericht Hamm, Az.: 15 W 98/14, Beschluss vom 22.07.2014).
Erbrecht Siegen/Kreuztal/Olpe – Rechtsanwälte Kotz
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