2. Verkehrssicherungspflicht aus dem Mietverhältnis: Dem
Eigentümer eines Grundstücks obliegt die Verkehrssicherungspflicht für dieses.
Durch eine Vermietung oder Verpachtung seines Eigentums wird der Eigentümer
grundsätzlich nicht von der ihm obliegenden Verkehrssicherungspflicht befreit. Neben
der generellen Verkehrssicherungspflicht trägt der Vermieter aus dem
Mietvertrag gegenüber dem Mieter eine besondere Pflicht, Gefahren die durch
mangelhaften Zustand der Mietsache entstehen könnten, abzuwenden. Diese Pflicht
gilt auch gegenüber Personen, die ein Grundstück berechtigterweise (z.B.
Besucher) oder in Ausübung ihres Berufes (z.B. Briefträger, Handwerker,
Polizisten etc.) betreten.
3. Übertragung der Streu- und Schneeräumpflicht auf den
Mieter: Nach der Rechtsprechung ist es zulässig, die bestehende Streu- und
Schneeräumpflicht auf einen Mieter oder Pächter zu übertragen. Hierzu bedarf es
aber grundsätzlich einer eindeutigen Vereinbarung zwischen Vermieter und Mieter
(am besten schriftlich!). Das OLG Frankfurt (WM 1988, 399) ist der Ansicht,
dass es für die Übertragung der Streu- und Schneeräumpflicht auf den Mieter
ausreicht, wenn die diesbezügliche Verpflichtung des Mieters im Mietvertrag
festgelegt wird oder eine entsprechende Klausel in der Hausordnung fester
Bestandteil des vereinbarten Formularmietvertrages ist. Der Bundesgerichtshof
geht ausnahmsweise davon aus, dass der Pächter einer Gastwirtschaft mit der
Pacht des Gaststättenbetriebes stillschweigend die Pflicht übernimmt,
ebenfalls für die Verkehrssicherheit der Zugänge zur Gaststätte zu sorgen (vgl.
BGH, Urteil vom 02.10.1984, MDR 1985 S. 311).Es ist jedoch dringend davon
abzuraten, in einem Formularmietvertrag oder in einem individuellen Mietvertrag
nur auf die jeweilige Hausordnung zu verweisen, ohne dass diese vom Mieter
gesondert unterschrieben worden ist. In diesen Fällen ist die bestehende Streu-
und Schneeräumpflicht nicht wirksam auf den Mieter übertragen worden. Gleiches
gilt für den Versuch eines Vermieters, seinen Mietern durch eine nachträgliche
Änderung der Hausordnung die Streu- und Schneeräumpflicht aufzuerlegen. Die
wirksame Übertragung der Verkehrssicherungspflicht auf einen anderen entlastet
den Verkehrssicherungspflichtigen jedoch nicht völlig von der ihm obliegenden
Verkehrssicherungspflicht. Der (ursprünglich) Verkehrssicherungspflichtige
bleibt zur Überwachung des von ihm Beauftragten verpflichtet. Ein Vermieter
muss daher in regelmäßigen Abständen kontrollieren, ob der Mieter seiner
Streu- und Schneeräumpflicht auch wirklich nachkommt. Kommt er diesen
Überwachungspflichten nicht nach, so haftet der Vermieter im Schadensfalle
neben dem Mieter. Auch bei einer selbst erkannten oder erkennbaren (dringenden)
Gefahrenlage muss der (ursprünglich) Verkehrssicherungspflichtige selbst Abhilfe
schaffen. Der Hauseigentümer muss z.B. bei festgestelltem Glatteis auf dem
Bürgersteig seines Hauses selbst streuen, wenn sein Mieter, dem er die
Verkehrssicherungspflicht übertragen hat, der Streupflicht nicht nachkommt.
4. Entstehen und Umfang der Streu- und Schneeräumpflicht:
Grundsätzlich entsteht die Streu- und Schneeräumpflicht erst bei einer
konkreten Glatteisgefahr oder bei einsetzendem Schneefall. Es sind also keine
Vorsorgemaßnahmen gegen eine nur drohende Vereisung oder Schnee zu treffen.
Eine Verpflichtung zum vorsorglichen Streuen besteht nur in den Fällen, in
denen an einer gefährlichen Stelle mit einer Glatteisbildung zu rechnen ist.
5. Zeitliche Begrenzung der Streu- und Räumungspflicht in
örtlichen Satzungen: Der zeitliche Umfang der Streu- und Räumungspflicht wird
in den örtlichen Satzungen der Gemeinden geregelt. Nach der aktuellen
Straßenreinigungssatzung der Stadt Siegen gelten nachfolgende Streu- und
Räumpflichten im Stadtgebiet: Im Rahmen der Winterwartung sind die Gehwege in einer
Breite von 0,80 m von Schnee freizuhalten. In der Zeit von 07.00 Uhr (an Sonn-
und Feiertagen von 08.00 Uhr) bis 19.30 Uhr sind Schnee und Glätte unverzüglich
nach Beendigung des Schneefalles bzw. nach dem Entstehen der Glätte zu
beseitigen. Nach der Ortsatzung der Stadt Kreuztal sind in der Zeit von 7.00
bis 20.00 Uhr gefallener Schnee und entstandene Glätte unverzüglich nach
Beendigung des Schneefalls bzw. nach dem Entstehen der Glätte zu beseitigen.
Nach 20.00 Uhr gefallener Schnee und entstandene Glätte sind in Kreuztal
werktags bis 8.00 Uhr, sonn- und feiertags bis 9.00 Uhr, des Folgetages zu
beseitigen. Der Verkehrssicherungspflichtige ist generell dazu gehalten, das
Streuen in angemessener Zeit zu wiederholen, wenn das Streugut seine Wirkung verloren
hat. Mit dem Streuen ist so rechtzeitig zu beginnen ist, dass der vor dem
allgemeinen Tagesverkehr liegende Hauptberufsverkehr geschützt wird. Erneutes
Streuen darf unterbleiben, wenn vernünftigerweise alle Mittel wirkungslos wären
(z.B. bei Eisregen). In Wohnungseigentumsanlagen obliegt den
Wohnungseigentümern die Verpflichtung, Hauseingänge, Garagenzufahrten und
angrenzende öffentliche Wege gemeinsam zu streuen.
6. Verhinderung in der Ausübung der Streu- und
Räumungspflicht: Problematisch ist, wenn der Mieter infolge von Alter,
Gebrechlichkeit oder Krankheit nicht in der Lage ist, seiner Streu- und
Schneeräumverpflichtung nachzukommen. Im diesem Falle hat er dafür Sorge zu
tragen, dass die Räum- und Streupflicht von einer anderen Person ausgeführt wird.
Gleiches gilt für alle Diejenigen die wegen ihrer Berufstätigkeit oder
sonstiger Tätigkeiten tagsüber nicht zu Hause sind. Über den Zeitraum ihrer
Abwesenheit müssen sie für eine Vertretung sorgen (z.B. Vertretung durch
Nachbarn). Wurde ein Mieter auf Grundlage des Gewaltschutzgesetzes seiner
Wohnung verwiesen, bleibt seine Streu- und Schneeräumpflicht trotzdem bestehen.
Eine gesteigerte Streu- und Schneeräumpflicht besteht bei denjenigen
Grundstücken bei einen ein starker Besucherverkehr herrscht (z.B. Gaststätten,
Ladenlokale etc.). Dort besteht nach der Rechtsprechung auch nach 20.00 Uhr
noch eine Streu- und Schneeräumpflicht. Es besteht jedoch keine allumfassende
Streu- und Schneeräumpflicht. Bei einem Glätteunfall auf einem Parkplatz, auf
dem nach Tauwetter vereinzelt noch Schnee vorhanden ist, besteht keine Haftung
des Verkehrssicherungspflichtigen. Hier hätte der Besucher auch um den Schnee
herumgehen können.
7. Kostenübertragung für Arbeitsgeräte und Streumaterial:
Hat ein Mieter die Streu- und Schneeräumpflicht übernommen, muss zusätzlich im
Mietvertrag geregelt werden, wer die hierfür erforderlichen Arbeitsgeräte und
das Streumaterial bezahlt. Wird mit der Übertragung der Streu- und
Schneeräumpflicht auf den Mieter nicht gleichzeitig vereinbart, dass dieser
auch das Streumaterial und die Arbeitsgeräte kaufen und warten muss, trägt
grundsätzlich der Vermieter die diesbezüglichen Kosten.
8. Wohin mit dem Schnee? Dies stellt häufig ein großes
Problem dar. Der Schnee ist auf dem Bürgersteig oder Radweg zur Fahrbahnseite
zu lagern. Ist dies nicht möglich ist, ist der Schnee auf dem Fahrbahnrand so
schmal wie möglich zu lagern. Der Fahr- und Fußgängerverkehr soll durch den
lagernden Schnee nach Möglichkeit nicht gefährdet oder behindert werden. Die Einläufe
zu Entwässerungsanlagen Hydranten, Löschwasserentnahmestellen,
Verschlussdeckeln, Versorgungsleitungen und den dazugehörigen Hinweisschildern
sind stets von Eis und Schnee gut sichtbar freizuhalten.
9. Haftungsfragen: Wird die Streu- und Schneeräumpflicht
vorwerfbar verletzt und tritt hierdurch ein Unfall mit Personen- oder
Sachschaden ein, haftet der Verkehrssicherungspflichtige auf Schadensersatz und
Schmerzensgeld. Verletzt sich ein Fußgänger, umfasst dessen
Schadensersatzanspruch insbesondere den Ersatz seiner beschädigten Kleidung,
seiner Fahrtkosten, seines Verdienstausfalls und seiner medizinischen
Behandlungskosten. Der verletzte Fußgänger trägt jedoch die volle Beweislast
dafür, dass eine nicht erkennbare Glätte herrschte oder dass Schnee auf dem
Bürgersteig lag und ein Streuen oder Räumen an dieser Stelle durch den
Verkehrssicherungspflichtigen erforderlich war. Wenn ein Fußgänger innerhalb
der zeitlichen Grenzen der örtlichen Streu- und Räumpflicht (z.B. 07.00 – 19.00
Uhr) zu Fall kommt und sich dabei verletzt, spricht eine Vermutung (sog.
Anscheinsbeweis) dafür, dass bei Beachtung der Verkehrssicherungspflicht der
Unfall nicht geschehen wäre. Diese Vermutung kann jedoch der
Verkehrssicherungspflichtige widerlegen.
Mietrecht Siegen/Kreuztal/Olpe – Rechtsanwälte Kotz
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