Wird ein fabrikneues Fahrzeug erheblich beschädigt mit der
Folge, dass es trotz Durchführung einer fachgerechten Reparatur den Charakter
der Neuwertigkeit verliert, kann der Geschädigte in den Grenzen des § 251 II
BGB ausnahmsweise die im Vergleich zum Reparaturaufwand höheren Kosten für die
Beschaffung eines Neuwagens beanspruchen. Angesichts der schadensrechtlichen
Bedeutung der Neuwertigkeit ist es dem Geschädigten in einer derartigen
Situation grundsätzlich nicht zuzumuten, sich mit der Reparatur des erheblich beschädigten
Fahrzeugs und der Zahlung eines den merkantilen Minderwert ausgleichenden
Geldbetrags zu begnügen. Vielmehr rechtfertigt sein besonderes,
vermögensrechtlich zu qualifizierendes Interesse am Eigentum und an der Nutzung
eines Neufahrzeugs ausnahmsweise die Wahl der im Vergleich zur Reparatur
teureren Restitutionsmaßnahme. Denn nach der Verkehrsauffassung genießt ein in
erheblichem Umfang repariertes Fahrzeug auch unter Berücksichtigung eines nach
den üblichen Maßstäben bemessenen Ersatzes für den merkantilen Minderwert nicht
dieselbe Wertschätzung wie ein völlig neuwertiges unfallfreies Fahrzeug.
Voraussetzung für eine solche Abrechnung auf Neuwagenbasis
wäre jedoch, dass das Fahrzeug bei dem Unfall erheblich beschädigt worden wäre.
Die Erheblichkeit einer Beschädigung ist dabei nicht in erster Linie anhand der
Schwere des eingetretenen Unfallschadens, sondern vor allem anhand des Zustands
zu beurteilen ist, in dem sich das Fahrzeug nach einer fachgerechten Reparatur
befinden würde. Danach ist eine erhebliche Beschädigung zu verneinen, wenn der
Unfall lediglich Fahrzeugteile betroffen hat, die im Rahmen einer fachgerecht
durchgeführten Reparatur spurenlos ausgewechselt werden können, und die
Funktionstüchtigkeit und die Sicherheitseigenschaften des Fahrzeugs,
insbesondere die Karosseriesteifigkeit und das Deformationsverhalten nicht
beeinträchtigt sind (wie beispielsweise bei der Beschädigung von Anbauteilen
wie Türen, Scheiben, Stoßstangen, etc). Denn dann wird der frühere Zustand
durch die Reparatur voll wieder hergestellt. Dies bedeutet allerdings nicht,
dass jede Beschädigung an einem nicht abschraubbaren Teil – z.B. Kratzer an der
Karosserie – notwendigerweise zu einer Schadensbeseitigung auf Neuwagenbasis
führen würde. Eine erhebliche Beschädigung ist in aller Regel dann anzunehmen
sein, wenn beim Unfall tragende oder sicherheitsrelevante Teile, insbesondere
das Fahrzeugchassis, beschädigt wurden und die fachgerechte Instandsetzung
nicht völlig unerhebliche Richt- oder Schweißarbeiten am Fahrzeug erfordert.
Denn durch derartige Arbeiten wird in erheblicher Weise in das Gefüge des
Fahrzeugs eingegriffen. Dagegen ist bei Fahrzeugen mit einer Laufleistung von
nicht mehr als 1.000 km nicht erforderlich, dass nach Durchführung der
Instandsetzungsarbeiten noch erhebliche Schönheitsfehler verbleiben,
Garantieansprüche gefährdet sind oder ein Unsicherheitsfaktor gegeben ist.
Ebenso wenig kommt es darauf an, ob die Unfallschäden bei einem späteren
Verkauf ungefragt offenbart werden müssen oder einen Sachmangel darstellen (Landgericht
Bochum, Az.: I-8 O 344/12, Urteil vom 03.12.2012).
Autorecht Siegen/Kreuztal – Rechtsanwälte Kotz
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